Mehrgenerationenprojekt 
   Im Vieri

«Sändälä» mit den Senioren von nebenan

Tertianum Im Vieri, Schwerzenbach
20.02.2023

Backen, spielen, Sandburg bauen – die Bewohnerinnen und Bewohner des Wohn- und Pflegezentrums Tertianum Im Vieri in Schwerzenbach unternehmen regelmässig Aktivitäten mit ihren Nachbarn aus der Kindertagesstätte Chinderstern. Das Projekt ist für Geschäftsführer Paul van Loon nicht nur ein Erfolg, sondern ein wegweisendes Modell für andere Dörfer und Quartiere. 

Was gibt es an einem heissen Sommertag schöneres als eine frische Abkühlung? Im Tertianum Im Vieri kein Problem. Im Hitzesommer 2022 wurde kurzerhand ein aufblasbarer Pool aus der Kindertagesstätte Chinderstern organisiert und vor dem Seniorenheim platziert. Die Kinder aus der Kita planschten und die Senioren bekamen von ihren Aktivierungsfrauen eine Fussmassage – und streckten hinterher noch die Füsse in den Pool. Als es dann noch Glacé für alle gab, war der Badespass perfekt. „Es war ein mega schönes Miteinander“, sagt die pädagogische Leiterin der Kita Nu Thuy Trang Ton. Auch am Sandkasten haben die Kinder und Senioren regelmässig ihren Spass und bauen gemeinsam Burgen oder backen Sandkuchen in bunten Förmchen.

Backen, basteln, spielen, singen – regelmässig treffen sich die Tertianum Bewohnerinnen und Bewohner mit den Kindern aus der Krippe nebenan. Samichlaus und Fasnacht feiern die ungleichen Nachbarn ebenfalls nach Möglichkeit zusammen. Ein Spass für alle Beteiligten – und gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zum Aktivierungsprogramm von älteren Menschen. „Die unbefangene Fröhlichkeit der Kinder steckt auch die Senioren an“, sagt Paul van Loon, der das Wohn- und Pflegezentrum leitet. Die gemeinsamen Aktivitäten machen den Senioren nicht nur Spass, sie wecken auch positive Erinnerungen an ihre eigenen Enkel oder die eigene Kindheit. Sogar demente Menschen blühen im Kontakt mit Kindern auf. Sie verbringen nicht nur gerne Zeit mit ihnen, sondern erkennen „ihre“ Kinder wieder, und winken, wenn sie ihnen begegnen. „Man kennt sich hier. Das macht dieses Quartier auch aus. Einige Nachbarn unterstützen uns sogar ehrenamtlich bei den Aktivitäten und kommen zum Boule spielen“, sagt van Loon.

Auch die Kinder freuen sich, wenn sie mit rüber ins Tertianum dürfen. „Das Interesse ist so gross, dass die Kinder manchmal sogar streiten, wer mitkommen darf, denn alle auf einmal wäre dann doch zu viel“, so die Kita-Leiterin. Auch Eltern hätten bereits nachgefragt, ob die Kooperation an unterschiedlichen Wochentagen angeboten werden kann, damit möglichst alle Kinder teilnehmen können. Was den Kindern an den Besuchen so gefällt? „Die Senioren nehmen sich sehr viel Zeit für alles. Die Kinder geniessen das“, sagt Paul van Loon. „Viele vermissen auch ihre eigenen Grosseltern und freuen sich, wenn die älteren Menschen etwas mit ihnen zusammen machen“, so Nu Thuy Trang Ton. Die Hemmschwelle vor dem Alter verschwinde so ganz nebenbei. „Alter ist bei uns kein Tabu mehr.“

Leiterin der Kita Nu Thuy Trang Ton & Leiter Wohn- und Pflegezentrum Paul van Loon

 

Der Austausch ist gewollt. Im Vieri wurde 2013 als generationsübergreifendes Quartier fertiggestellt. In dem kunterbunt gestrichenen Quartier liegen Kita, Hort und Seniorenheim direkt nebeneinander. Die Kooperation Im Vieri läuft seit 2016. Als van Loon vier Jahre später nach Schwerzenbach kam, war ihm sofort klar, dass er die Zusammenarbeit auf jeden Fall ausweiten will. In seinem Heimatland Holland sei man bei generationsübergreifenden Projekten schon sehr viel weiter. „Von den Begegnungen profitieren beide Seiten. Es wäre gut, wenn solche generationenübergreifende Quartiere auch hier in der Schweiz weiterverbreitet wären“, findet Geschäftsführer van Loon. „Wir müssen auch hier diese Ressourcen nutzen, denn auch in der Schweiz wird es in Zukunft immer mehr ältere Menschen geben.“ Zwischen 85 und 95 Jahre alt sind die Gäste Im Vieri ungefähr. Viele seien trotz ihres hohen Alters noch top fit. Doch gerade, wenn die Kontakte weniger und der Bewegungsradius kleiner werden, seien neben einer professionellen Pflege zwei Punkte das A und O: gutes Essen und motivierende Aktivitäten. Wenn nichts los ist, fällt den Bewohnern auch in der schönsten Umgebung die Decke auf den Kopf. Das Aktivierungsprogramm spielt daher in allen Einrichtungen von Tertianum eine zentrale Rolle und trägt nicht nur massgeblich zur körperlichen und geistigen Fitness der Seniorinnen und Senioren bei, sondern führt auch zu mehr Lebensqualität und Lebensfreude. „Das ist auch für uns im Team sehr wichtig und motivierend“, sagt van Loon. „Pflege und Betreuung ist viel mehr als nur ein Job.“

Ein Selbstläufer ist die Kooperation allerdings nicht. Die Chemie muss stimmen. Für eine gute Zusammenarbeit braucht es ausserdem eine gute Kommunikation mit den Eltern, den Mitarbeitenden und den Angehörigen sowie verlässliche Planung und klare Ziele. Sprich: Die Aktivitäten müssen beiden Seiten Spass machen. „Auch das Betriebsklima muss stimmen“, sagt van Loon. Wer ohnehin völlig überlastet ist, hat in der Regel keine Lust mehr ein zusätzliches Projekt zu stemmen.

Die beiden Einrichtungen kooperieren auch beim Catering. Das Essen wird nebenan im Tertianum zubereitet. Die Zusammenarbeit könnte jedoch noch sehr viel weiter gehen. Eine gemeinsame Turngruppe fänden beide gut. Gleichgewichtsübungen sind nicht nur eine wichtige Sturzprävention für Senioren, sondern auch eine gute Übung für die Kleinen. Auch hier sieht van Loon einen steigenden Bedarf: „Die Generation, die jetzt ins Heim kommt, ist es gewohnt, zwei Mal in der Woche ins Fitnessstudio zu gehen.“

Am besten wäre es aber, wenn die Seniorenzentren gleich Betreuungsplätze für ihre Mitarbeitenden vorhalten würden. Angesichts des Fachkräftemangels wäre das für van Loon ein gutes Modell. Denn dann könnten nicht nur die Kinder und Senioren, sondern auch noch Arbeitgeber und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Kooperation profitieren.